WKSA 2023 – Das Oberteil
In meinem ersten Beitrag zum WKSA könnt ihr lesen, wie es zu meiner Schnittauswahl kam und wo das Ganze hinführen soll (wenn mein Plan funktioniert). In diesem Teil geht es um die Bluse Norma aus der Ottobre 2/2018.
Für das Oberteil meines Ensembles nähte ich zum ersten Mal einen Ottobre Schnitt für mich selbst. Prinzipiell mag ich den Aufbau der Zeitschrift gerne, die Bögen sind gut lesbar und die Schnitte immer brauchbar fotografiert. Allerdings habe ich in den letzten Ausgaben nichts mehr für mich gefunden, weshalb ich mein Abo gekündigt habe. Dieser Schnitt stammt aus einer älteren Ausgabe und steht auch schon seit vielen Jahren auf meiner Nähliste.
erstes Nesselteil
Meine Maße springen in der Ottobre Maßtabelle wild zwischen den Größen hin und her. Oberweite 38, Hüfte 40-42, Taille 34, Schulterbreite und Armlänge 52, Körpergröße +11cm. Da ich mit einer Näherin in der ‚Näh ich mir‘ App geschrieben hatte, die diesen Schnitt schon einmal genäht hat, habe ich mich für 38 entschieden.
Für das erste Nesselteil habe ich die Schulter um 1,5cm verbreitert, die Bluse um 5cm verlängert und die Armkugel um 1,5cm erhöht, sowie auch ein wenig verbreitert (meine Schulterknochen können den Raum brauchen). Bei der Anprobe fühlte das Nesselteil sich recht einengend an. Die Knopfleiste spannt und die Armbewegung ist eingeschränkt.
Also habe ich ein Vorderteil wieder rausgetrennt und eine neues Vorderteil mit einer FBA von 1,5cm eingesetzt und nochmal anprobiert. Die Spannung auf der Knopfleiste wurde dadurch zwar reduziert, aber so richtig wohl gefühlt habe ich mich nicht in dem Teil. Nach ein paar Tagen unzufrieden rumgrübeln war klar, dass ich um ein zweites Nesselteil in Größe 40 nicht rumkomme.
zweites Nesselteil
Beim zweiten Versuch habe ich das Nesselteil ganz ohne Änderungen zugeschnitten, einfach nur eine Größe 40.
Der Sitz und das Tragegefühl der Bluse war gleich deutlich weniger einschränkend. Aus dem Nesselteil konnte ich folgende Änderungen für den Schnitt ableiten:
- Der Rücken hing etwas unmotiviert durch, also habe ich das Rückenteil im Bereich zur Passe um mittig -1,5cm (auslaufend zum Rand) niedriger gemacht.
- Die Brust fühlte sich immer noch nicht komplett angenehm an, damit habe ich auch bei der größeren Größe wieder eine FBA mit 1,5cm pro Seite gemacht und den entstanden Abnäher nach oben in die Frontpasse rotiert. Ich kann mir das zwar nicht erklären, da bei der 40 eine Brustweite von 92cm angegeben ist und ich je nach Unterwäsche zwischen 88 und 90cm schwanke, aber das Nesselteil ist ja dafür da, um so etwas festzustellen.
- Anstatt die Mehrweite an der Frontpasse zu raffen, habe ich zwei Falten gelegt. Passt besser zu dem festen Stoff und gefällt auch besser.
- Die Schulter habe ich um 1,2cm verbreitert.
- Das Armloch war deutlich zu groß, ich habe es um 1,3cm verkleinert, beim späteren Einsetzen der Ärmel aber wieder auf nur 1cm Verkleinerung vergrößert. So saß der Ärmel am besten.
- Bei Bewegungen der Schulter ergab sich eine Spannung zwischen Brustpunkt und Oberarmkugel. Dies hätte zwar die FBA alleine auch lösen können, aber vorsichtshalber habe ich hier auch 0,5cm am Armausschnitt zugegeben.
Trotz der vielen Änderungen am Armloch habe ich mich ganz bewusst dazu entschieden, den Ärmel nicht entsprechend zu verschmälern. Auch damit wollte ich nochmal Raum in der Schulter generieren.
Ich weiß, optisch unterscheiden sich die beiden Nesselteile weniger als man meinen würde und auf den Bildern sieht auch die 38 nicht grauenvoll aus. Ihr müsst mir also einfach glauben, wenn ich sage, dass sie sehr einschränkend saß und ich eine unnatürliche Haltung einnehmen musste. Hier nochmal die beiden Größen im Vergleich.
Das Nähen
Der Körper lässt sich einfach zusammensetzen, wenn man schon mal eine Bluse genaht hat, keine Herausforderung. Ich habe also diese Schritte nicht in der Anleitung nachgelesen. Die beiden Falten in der Front habe ich erst nach innen gelegt, dann aber doch nochmal zwecks besserer Optik nach außen gedreht. Den Ärmel setze ich meist flach ein, weil ich es einfach bequemer finde. Um hier jedoch die viele Mehrweite unter Kontrolle zu bringen, habe ich den Ärmel ganz vorbildlich mit Einreihen, Dämpfen etc. vorbereitet und geschlossen eingesetzt. Ich war selbst überrascht, dass das ohne großen Ärger oder Fluchen funktioniert hat. Der originale Ärmel scheint recht wenig Mehrweite zu haben, meiner war jetzt allerdings trotzdem an der Obergrenze, wenn man ihn ohne Falten einsetzen will. Die Ottobre Knipse passten bei mir auch beim unveränderten Nesselteil nicht, also habe ich nach Gefühl verteilt. Vorallem ist beim Ärmel die Front mit einem Doppelknips mit 2cm Abstand markiert, aber das Vorderteil hat nur einen Knips. Welchen soll man dann treffen? Den ersten, den zweiten, die Mitte?
Ein großes Ärgernis war für mich das Einsetzen des Kragens. Laut Ottobre Anleitung wird der vordere Bereich des Kragens mit den Belegen der Knopfleiste verstürzt und der mittlere Teil nicht. Die Nahtzugabe an den Übergängen zwischen Belegen und Mittelteil muss komplett eingeschnitten werden, da sie durch diese Verarbeitung teilweise nach oben und nach unten gelegt wird. Ich finde es keine schöne Verarbeitung und mochte auch das Gefriemle an den Übergängen nicht.
Für Hemden mag ich ja die Verabreitung mit doppelter Passe und Burritomethode. Allerdings habe ich die bisher nur für Hemden mit Steg angewendet und bin mir noch nicht sicher, ob ein geschlossener Kragen auch so eingesetzt werden kann. Habt ihr da Erfahrungen, Tipps?
Die Ärmel sind mit einer nach außen geschlagenen Manschette genäht (Variante 1 hier schon mal gezeigt) und innen mit Schrägband versäubert. Sie sind größer als mein Arm und ich wollte eine schöne Innenverarbeitung, wenn man evtl. reinsehen kann. Die Manschette ist im Nahtgraben unsichtbar angeheftet.
Die im Schnitt enthaltenen Längsabnäher habe ich von Anfang an weggelassen. Ich mag es, wenn Oberteile im Hosenbund etwas pludern.
Vielleicht nähe ich irgendwann mal nochmal einen Ottobre Schnitt, aber nach dem ersten Versuch glaube ich nicht, dass deren Passform so gut zu meinem Körper passt. Norma ist jedoch jetzt angepasst und ich kann mir gut vorstellen, sie nochmal zu Nähen.
Nächsten Sonntag zeige ich euch an dieser Stelle die Verarbeitung der Hose zu meinem Outfit, aber vorher solltet ihr unbedingt beim MMM vorbeischauen und die Werke der anderen Näherinnen bewundern!
Das Foto sieht schon mal sehr sehr schön aus, Ich kann allerdings gut verstehen, dass du nicht noch einmal einen Ottobre-Schnitt nähen möchtest, wenn du jedesmal so viele Änderungen vornehmen musst. Ich habe vor Jahren auch einmal einen körpernahen Blusenschnitt aus der Ottobre genäht und mit passte die Bluse auch nicht und musste entsorgt werden. Ich freue mich am Ende auf deine finalen Fotos der Bluse.
Ja, gerade der erste Schnitt eines Labels ist immer besonders ungewiss. Darum diese dekorativen Nesselteile 😉 Schade, dass es bei dir nicht geklappt hat.
Grüße, Tina
Also ich finde man sieht die Verbesserung im Vergleich sehr deutlich – obenrum sitzt die 40 deutlich entspannter und auch am Saum verzieht sich da nichts. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt!
Das Bild von der Bluse ist auch sehr vielversprechend. Auf die Hose bin ich ebenfalls gespannt – toll, wie wahnsinnig schnell Du doran kommst 🙂
Liebe Grüße, Anne
Schön zu hören, dass man es auch sieht und es nicht nur ich fühle. Ich war aber wirklich erstaunt, weil ich von anderen schon gehört habe, dass sie bei Ottobre immer eins kleiner zuschneiden. Damit hätte ich nie erwartet, dass die 38 zu klein sein könnte.
Hüstel, tja, wie soll ich das sagen? Ich hab bei der Bluse schon etwas vorgearbeitet, damit ich während des Sew Alongs nicht in Stress verfalle und dann Gefahr laufe zu pfuschen.
Grüße, Tina
Was ich fertig sehe, gefällt mir. Und was für eine süße Bettwäsche du verwendest hast. Ja, die Probeteile haben echt Sinn ergeben. Ich wusste garnicht, dass es solche Unterschiede in der Passform gibt, bin aber mit dem Mantel aus dem Named Buch auch komplett reingefallen, Ottobre habe ich nur fürs Kind genäht, deswegen kann ich nix dazu sagen, leider zu der Kragenangelegenheit auch nicht. LG Anja
Ja, Nesselstoff bekomm ich immer von allen Seiten und löchrige Pferdebettwäsche ist perfekt dafür 🙂 Ich habe schon den Eindruck, dass verschiedene Label für verschiedene Körperformen schneiden.
Grüße, Tina
Liebe Tina,
da gibts du dir ja wirklich richitg Mühe die perfekte Passform zu erreichen! Ich bin serh gespannt auf das finale Ergebnis. So wie ich den Kragen auf den Probeteilen sehe, würde ich den ganz klassisch zwischen Oberstoff und Beleg einfassen, wenn kein Beleg dabei ist, einen selber erstellen. Ich finde das ist die einfachste und sauberste Methode.
Liebe Grüße,
Sam
Beim ersten Mal wollte ich mich an die Anleitung halten, werde es aber im Wiederholungsfalle sicher nicht mehr tun. Mit Beleg verarbeiten habe ich auch überlegt, allerdings hätte ich gerne beide Benefits: doppelte Passe und eingefasster Kragen oben. Beim nächsten Mal werde ich mich da nochmal reinfuchsen.
Grüße, Tina
Das sieht sehr vielversprechend aus und nach sehr sehr viel Aufwand! Wo kommst du nur die Zeit und die Geduld her?
freu mich auf Finale Bilder!
Miriam
Wo ich die Zeit herbekomme weiß ich auch nicht genau 🙂 Aber schlechtsitzendes Zeug könnte ich ja auch kaufen, also will ich dass mein Nähen besser ist. Und schon verbringe ich Abende mit Nesselteilen.
Grüße, Tina
Wow, ichbewundere Deine Ausdauer beiden Probeteilen. Aber die Fotos zeigen schon dass sich eine Anpassung lohnt. Ob ich dannaber nochmal so was von Ottobre nähen würde – eher nicht. freue mich auf die Arbeit mit dem richtigen Stoff. LG Ina
Manche nennen es Ausdauer, manche würden es Pedanterie nennen 😉 Mal schauen, ob ich mal wieder einen Schnitt von ihnen gut finde und wie motiviert ich dann bin.
Grüße, Tina
Ich meine auch einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Nesselmodellen zu erkennen. Hut ab für Deine Geduld bei der Schnittanpassung. Die vielversprechende Vorschau lässt aber schon erahnen, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Lieben Gruß Manuela
Danke, dass ihr das sagt, ansonsten würde ich an der vielen Arbeit zweifeln.
Grüße, Tina
Das viele Nesselteile anpassen hat sich definitiv gelohnt. Was man sieht von der fertigen Bluse sieht jedenfalls schon mal gut aus. Und die Entscheidung für zwei Falten an der Passe anstelle einreihen finde ich sehr gut. Ich scheine, im Gegensatz zu dir, eine klassische Ottobre- (und auch Burda) Figur bzw. die entsprechenden Proportionen zu haben. Wobei ich bei Burda meist eine Nummer größer brauche, bei Ottobre lange eine Nummer kleiner. Was du beschreibst hinsichtlich zweier Knipse am Ärmel im Vorderteil lässt mich vermuten dass der zweite, obere Knips derjenige ist, der den Anschluss der Passennaht markiert. Der untere sollte genau mit dem Knips am Armloch des Vorderteils zusammenpassen. Ottobre hat nämlich nur einen Knips am Vorderteil, hinten gibt es keinen doppelten Knips wie manchmal bei anderen Schnitterstellern. Auf die Hose bin ich jedenfalls jetzt schon sehr gespannt, und auch auf das Ensemble im Ganzen.
Liebe Grüße, heike
Einreihen wäre mit meinem festen Stoff gar nicht möglich gewesen, also war die Entscheidung klar. Ich würde mir so sehr wünschen auch meinen Schnittmusterhersteller zu finden. Aber aktuell suche ich noch. Vielleicht muss ich mir doch mal einen erstellen lassen, damit ich mich nicht bei jedem Teil mit zwei Nesselteilen runterärgern muss.
Das dachte ich auch, aber keiner der Knipse passte an den Passenübergang.
Grüße, Tina
Toll, dass Du schon so weit bist. Ich bewundere Deine Akribie beim Anpassen und sehe auch einen deutlichen Unterschied bei den beiden Nesselmodellen. Mir gefällt auch die Variation mit den Falten an der Passe, wenn ich mir noch eine Norma nähe, mache ich das auch mal so. Es tut mir leid für Dich, dass Du soviel anpassen musstest, ich konnte einfach meine Größe nähen und sie passt so gut, wie eine Bluse aus nicht-elastischem Material halt passt. Sie wird nie die Bequemlichkeit eines Jersey-Shirts erreichen, aber der Kompromiss zwischen einer nicht allzu weiten Silhouette und Bewegungsfreiheit funktioniert bei mir recht gut.
Zu der Frage mit den Ärmelknipsen: In der Ottobre gibt es nur vorne eine Markierung am Ärmel, damit man weiß, wo vorne ist. Das, was Du für den 2. Knips gehalten hast, ist das Zeichen, ab wo die Ärmelkugel eingehalten werden muss, und an der Rückseite ist es das Zeichen für das Ende. Wegen der Übersichtlichkeit zeigen sie das nur in der kleinsten Größe. Ich persönlich nehme die Markierung auch nicht als Passzeichen, sondern eher als Richtungsanzeige, damit ich die Vorder- und Rückseite der Ärmel nicht vertausche. Ich orientiere mich eher an den Seitennähten und der Schultermarkierung. Beim Kragen habe ich die hintere Kante eingeschlagen von Hand angesäumt. Was ist eine „Burrito-Methode“?
LG, Stefanie
Es freut mich, dass sich die viele Arbeit auszahlt und ihr den Unterschied sehen könnt. Danke für die Erklärung der Ärmelknipse. Damit macht das alles auf einmal viel mehr Sinn 🙂
Bei der Burrito Methode wird die Rückenpasse doppelt zugeschnitten und erst verstürzt an der unteren Naht angenäht und dann wird das Rückenteil eingerollt und anschließend zwischen den beiden Rückenpassen eingefasst. Damit können dann auch die Schulternähte mit der Passe verbunden werden. Anschließend wird alles zurückgestülpt und man hat lauter eingefasste Nähte ohne offene Kanten. Schwer zu erklären, aber es gibt viele Videos die das erklären, such doch mal.
Grüße, Tina
Uff, ja Schnitte anpassen kann ganz schön langwierig sein. Aber meistens lohnt es sich. Die Falten an der Schulter sind ein sehr schönes Detail.
LG, Andrea