blaues Etuikleid aus Romanit
Wer hätte es gedacht, ich habe quasi die brave Schwester zu Sams furiosem Bossbitch Kleid genäht. Und das vollkommen unwissend! Nähen statt kaufen zeigt ein Kleid das einem Schnitt aus einer Serie nachempfunden ist. Aber was macht die Verwandtschaft unserer beider Kleider aus?
- Etuikleid
- Enganliegende Form
- Dreiviertelärmel mit Schlitz
- gleicher Stoff in der gleichen Farbe
- Knieumspielende Länge
Diese Punkte begründen mindestens eine entfernte Verwandtschaft. An dieser Stelle herzliche Grüße an Sam!
Das Spannende ist, dass wir ohne jeglichen Kontakt zu diesen zwei Kleidern gekommen sind. Mein Kleid war einigen Jahren in Planung, bevor ich es letzten Dezember in der Woche vor Weihnachten noch schnell umgesetzt habe. Es war mein eigentliches Weihnachtskleid 2022, ich habe es Heiligabend getragen. Die Vorlage ist ein gekauftes Kleid, das ich mir 2009 auch für Weihnachten gekauft habe. In all den Jahren mochte ich es sehr und habe es viel getragen, aber ich finde es mittlerweile zu kurz für mich. Diesen Kleiderschnitt habe ich kopiert, ohne das Original zu zerstören. Einen Schnitt mit Auftrennen abzunehmen ist soo viel einfacher, aber ein gutes Kleid kaputt machen, das kam auch nicht in Frage.
(In englischen Blogs wird Kaufkleidung ja oft als Ready-to-wear bezeichnet, der Kürze wegen, werde ich im Folgenden auch RTW verwenden.)
Der Schnitt
Die RTW Vorlage ist in folgende Schnittteile geteilt:
- Raglanärmel einteilig mit geschlitzter Manschette
- zwei Vorderteile ohne Abnäher, die außermittig getrennt sind
- zwei gespiegelte Rückenteile mit einem Reißverschluss im oberen Rücken
Also Alles in Allem nur fünf verschiedene Schnittteile. Ich wollte nicht nur die Länge ändern, sondern auch den Ausschnitt verschmälern. Dieser ist ein breites U-Boot, der durch den Zug meiner breiten Schultern zusätzlich verbreitert wird, damit sah man meist die BH Träger (nervig). Der Reißverschluss im Rücken war immer nur Zierde, den habe ich damit getrost weggelassen.
Da das Abzeichnen auf Seidenpapier recht wacklig war (weicher fließender Stoff, der schnell verrutscht), habe ich aus einem sicher 30 Jahre alten, dickeren Jersey erstmal ein Muster genäht und dort noch ein paar Änderungen eingebracht. Der Stoff, ein Geschenk meiner Schwiegeroma, hat mich während der Verarbeitung echt überrascht, eine angenehme, feste Qualität. Darum habe ich, nach den Schnittmodifikationen, zum ersten Mal an einem Nesselteil weitergenäht und etwas für zu Hause daraus gemacht. Hat sich also doppelt rentiert.
Der Plan war, dass ich den Ausschnitt direkt an mir final anpasse, um ihn gerade so weit machen zu könne, dass die Träger nicht hervorblitzen. Soweit so gut, leider bedeutete das auch, dass ich den Beleg nicht vom Schnitt abnehmen konnte, sondern auch am Körper konstruieren musste. Das war nicht nur recht wackelig, sondern hat auch keinen Spaß gemacht. So darf ich zukünftig nicht mehr vorgehen. Es einen Beleg ergeben, der einen gewissen Zug auf den Ausschnitt abgibt. Also schlampig und wirklich Mist…
Der Stoff
Da ich viel Positives über Meet Milk gelesen hatte und sie für eine nachhaltigere Quelle halte, habe ich den Ponte Knit von ihnen gewählt. Die Farbe ist mit blueberry bezeichnet. Leider finde ich sie sehr viel mehr Pan Am Stewardess, als mir lieb ist. Ich hätte mir mehr ein seriöses Kleines-Dunkelblaues vorgestellt, das aber eben gerade nicht komplett Schwarz ist. Die Farbe ist aber deutlich lebendiger und blauer. Schön, aber nicht ganz meine Vorstellung, der Nachteil bei Onlinekäufen… Auch meine gelbe Strumpfhose, die ich manchmal zu dem RTW Kleid getragen habe, wenn ich es etwas verspielter tragen wollte, passt leider nicht dazu. Der Stoff hat aber eine angenehme Qualität, obwohl ich ihn für einen Romanit als etwas dünn empfinde.
Auf den Bildern mit dem hellblauen Hintergrund bin ich mit dem Kleid nur Bahn gefahren, bei dem dunklen Hintergrund auch noch zwei Stunden beim Essen gesessen. Man kann erkennen, dass der Stoff nicht ganz knitterfrei ist. Allerdings muss man ihm lassen, er entknittert sich auch wieder ein bisschen, wenn er sich aushängen kann.
Das Ergebnis
Im Nachhinein würde ich den Ärmel zweiteilen. Leider habe ich den Ärmel mit einem Schulterabnäher gearbeitet, diesen finde ich im Ergebnis nicht so schön. Er liegt trotz Steppnaht nicht so, wie ich mir das vorstelle. Auch die Längsnähte musste ich absteppen, damit sie flach liegen. Sam hat im Beinsaum noch einen kleinen Schlitz, der gefällt mir sehr, würde ich beim nächsten Mal ebenfalls machen.
Lernerfolg? Ich habe auf jeden Fall einiges gelernt/geübt zum Thema Schnitt von einem RTW Teil abnehmen. Da kann ich bei einem nächsten Versuch hoffentlich schon einiges besser machen. Aber ihr sollt euch ja selbst ein Bild vom Ergebnis machen können:
Bisher habe ich es erst zweimal getragen, mal schauen, ob ich es genauso mögen werde, wie sein Vorbild. Aber alleine dafür, dass ich erst total überrascht war, als ich Sams Beitrag gesehen habe und mich dann darüber freuen konnte, war es das ja mal total wert 🙂
Verlinkt bei Creadienstag, Kleider nähen, DingsvomDienstag und Nähfrosch.
OMG, die schließen, das ist wirklich schade, ich war zwar nur 2 oder 3 x da, aber jedes Mal sehr begeistert und habe immer mehr gekauft als geplant, was bei mir nicht unbedingt passiert. Dein Kleid gefällt mir ausnehmend gut, die neue Länge ist super, ich habe noch nie etwas abkopiert, ich glaube, es wäre mir auch zu aufwändig. Und was für ein Zufall mit dem Kleid von Sam. LG Anja
Ich bin auch echt verärgert mit dem Vermieter. Wenn der wüsste, wie wichtig solche Einrichtungen für manche Menschen sind 🙁 Ich habe am Samstag dann auch tatsächlich statt einem Stoff, drei gekauft. Das ist für mich auch eher außergewöhnlich. Jetzt habe ich nur noch einen Stoffhändler, der aber auch schon in seinen Sechzigern ist, wer weiß, wie lange mir der noch erhalten bleibt…
Abkopieren würde ich schon wieder, aber nur, wenn ich das Teil dazu zerteilen kann. So war es mir auch zu mühsam und halt auch fehleranfällig.
Grüße, Tina
Aus der Ferne betrachtet sieht das Kleid sehr gelungen aus! Der Schnitt ist wirklich sehr schön – die Raglanärmel und die seitliche vordere Naht machen es zu was ganz besonderem! Und es steht dir super! Auf den Fotos finde ich auch die neue Farbe richtig schön.
Liebe Grüße
Nanni
Das ‚aus der Ferne betrachtet‘ bringt mich zum Nachdenken. Hättest du gerne mehr Detailfotos? Ich freue mich ja, wenn auch solche Sachen geäußert werden!
Schön, dass es dir gefällt.
Grüße, Tina
Die Schnittkopie scheint sehr gelungen, das ist echt nicht einfach. Der Aufwand hat sich definitiv gelohnt!
Der Romanit sieht tatsächlich sehr viel dünner aus, als den ich gerade unter der Maschine hatte. Habe zu wenig Vergleiche bisher. Erstaunlich finde ich, dass der RV so kurz ist für die Körpernähe oder gibt es nich einen verdeckten in der Taille?
VK Karen
Der Reißverschluss ist nur Zierde, man kann die Kleider einfach durch die Elastizität des Stoffs an- und ausziehen. Deshalb habe ich ihn in mein Kleid auch gar nicht mehr eingenäht.
Grüße, Tina
Hallo liebe Tina,
ganz großes Kino dein Kleid!
An das Abnehmen eines Schnittes von RTW Kleidung habe ich mich noch nie gewagt und es scheint auch wirklich sehr kompliziert zu sein. Danke für dieses kritische Zeigen und umso bewundernswerter, dass es dir so gut gelungen ist.
Herzliche Grüße,
Sam
Eine besondere Freude, wenn du das sagst! Das Schnittabnehmen an sich ist gar nicht so kompliziert, nur echt nervig und mühsam. Zukünftig will ich das nur noch mit geliebten, aber abgetragenen Sachen machen, dann kann ich sie wenigstens Auftrennen.
Grüße, Tina
Die Belegkonstruktion vom fertigen Teile so abzunehmen, auf diese Idee wäre ich nicht gekommen. Da hat sich mir die Frage gestellt, wieso du das nicht nur am Kleidungsstück abgenommen hast? Das Kleid finde ich sehr gelungen, und die Passform sehr gut. Einen Schnitt habe ich bisher auch nicht kopiert, ab und zu überprüfe ich Schnitteile an fertigen Kleidungsstücken ob das ungefähr hinhaut. LG Jeanette