Allgemein Me Made Mittwoch

Abendkleid mit goldenem Brustpanzer

Dieses Kleid wurde genau morgen vor einem Jahr zum ersten Mal, zu einer Italienhochzeit von Freunden von uns, ausgeführt. Aber leider war der Fotograf so sehr auf Porträts fixiert, dass es kein einziges Bild von mir im Kleid gibt. Das haben wir vor Kurzem nachgeholt und damit kann ich es euch heute zeigen.

sienaehtschonwieder.de goldenes Abendkleid

Ich hatte Lust mir für diese Feierlichkeiten etwas Besonderes zu nähen. Da die Hochzeit auf Rasen/Kies stattfand, habe ich gleich an ganz einfache, schwarze, flache Ledersandalen gedacht, die ich besitze. Also wollte ich ein Kleid, das gut dazu passt: schick, besonders, aber eben trotzdem zu diesen schlichten Schuhen passend. Nach ausgiebiger Internetrecherche hatte sich eine Idee in meinem Kopf festgesetzt, ich will einen goldenen Brustpanzer. Dieses Frontpanel sollte das Hauptelement sein, der Rest dezent. So blieben die Farben schwarz und weiß zur Auswahl. Nur schwarz wollte ich nicht, weil zu wenig sommerlich, nur weiß hätte ich mir wahrscheinlich von der Braut genehmigen lassen müssen. Damit wurde es golden, weiß und schwarz.

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erster, aber nicht zufriedenstellender Stoffversuch, wurde weiterverkauft

Der Stoffkauf ist bei mir leider meist recht schwer, da ich schon eine sehr genaue Vorstellung im Kopf habe. Nach sehr vielen Abenden Internetrecherche und diversen Stoffläden hatte ich endlich Glück, bei einem lokalen Verkäufer fand ich eine gute Auswahl und eine geduldige Verkäuferin. So habe ich zig Rollen begutachtet und die Verkäuferin hat sie mir immer wieder in meinen gewünschten Aufbau drapiert. Durch diese Hilfe wusste ich sofort, dass ich diese Kombi haben will, als ich die Stoffe das erste Mal zusammen gesehen habe. (Die Stoffreste habe ich übrigens hier weiterverarbeitet)

  • Das Frontpanel ist eine recht dunkle, goldene Wildseide, davon hab ich nur 0,6m gebraucht. Sie ist mit einer recht festen Vlieseline verstärkt, die ich von einem Mieder übrig hatte.
  • Der restliche Oberkörper ist aus einer sehr leichten, weißen Viskose, ebenfalls 0,6m.
  • Das Rockfutter aus einer schwarzen Viskose, ist (wenn ich richtig gezählt habe) eine Atlasbindung. Also eine sehr drapierfähige Webart. Davon habe ich 3m verarbeitet.
  • Der Oberstoff des Rocks ist ein schwarzer, hauchzarter Seidenchiffon. Hiervon ebenfalls 3m

Gestartet habe ich mit der Konstruktion des Frontpanels, dazu habe ich meine Maße aufgezeichnet und mit einigen Nesselteilen mich zu einer zufriedenstellenden Teilung hingearbeitet. Die Teilung sollte den Brustpunkt noch überdecken, ohne soweit zu gehen, dass das steife Mittelteil dann links und rechts von der Brust absteht. Das Rückenteil habe ich von einem bereits angepasstem Schnitt entnommen (Charm Patterns – Day and Night Dress in Größe 6).
Leider zeigen sich beim Tragen, dass die beiden Seitenteile 1-2cm zu hoch sind, sie werfen Falten im Bereich der Brust/des Armausschnitts. Später auf den Bildern sieht man auch, dass die Balance nicht stimmt. Obwohl ich die Taille mit dem Rockabrunder horizontal markiert habe, kippt beim Tragen alles nach hinten. Damit ist leider nicht nur die Taillenlinie schief, sondern auch die Front hat einen deutlichen Faltenwurf in den Rücken. Wenn ich es vorne runterziehe verschwindet dieser.

Das ganze Oberteil war sehr fieselig/mühsam zu Nähen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, auf dem goldenen Panel nur an der Kante zwischen Mittelteil und Seitenteil eine sichtbare Naht zu haben und alle weißen Teile mit Schrägband zu verabeiten, da ich keine durchscheinenden Belege wollte. Damit hatte ich mir die ein oder andere Denksportaufgabe beschert. Final ist der goldene Halsausschnitt mit einem Beleg versäubert, in den das Schrägband der Viskose einläuft. Am Armausschnitt läuft das Schrägband unter die umgeklappte Kappnaht der Wildseide. Hier habe ich einige Abende genäht, teilweise auch mit der Hand (was ich nicht ausstehen kann), um ein möglichst filigranes Ergebnis zu erreichen. Auch die Kombination aus dem steifen Panel mit der feinen Viskose war recht knifflig.

sienaehtschonwieder.de Abendkleid Reißverschluss

Das Thema Reißverschluss war etwas leidig. An sich wollte ich im weißen Oberteil keinen schwarzen Reißverschluss, nahtverdeckt hin oder her, aber im Rock einen Weißen wollte ich noch weniger. Also habe ich einen 75cm langen schwarzen, nahtverdeckten Reißverschluss verwendet. Leider habe ich mir zum Einnähen den falschen Abend ausgesucht. Trotz Stabilisierung der Kanten mit Nahtband habe ich ihn dreimal komplett schief und krumm eingenäht und bin frustriert zu Bett gegangen (das Bild zeigt einen der gehefteten Versuche). Erst am nächsten Morgen klappte es dann plötzlich wie geplant.

sienaehtschonwieder.de Abendkleid Futter Rock

Der Rock sollte eng und fließend sein, ohne aber hauteng anzuliegen. Als Basis dafür habe ich einen Brautkleidschnitt von Burda 03/2012 Nr. 104 in Größe 38 verwendet. Ich habe lediglich das V am Bund entfernt und ihn auf 1,2m verlängert. An der Vorder- und Rückseite sind jeweils zwei Abnäher eingebracht und die Schnittteile sind im 45° Fadenverlauf zugeschnitten. Ich denke die Kombi aus dem schrägen Fadenlauf, der Webart und meiner Verlängerung war etwas viel. Der Rock hat sich nach dem Aushängen um knapp 25cm verlängert. Aber gut, lieber zu lang als zu kurz. Den Saum habe ich mit einem Overlockrollsaum verarbeitet, um nicht Gefahr zu laufen auf der normalen Nähmaschine einen welligen Saum zu bekommen.
Im Bild seht ihr den immer noch nicht vollständig ausgehängten Rock, den Rest der Anpassungen musste ich immer auf einem kleinen Hocker stehend machen, da ich ihn erst ganz zum Schluss kürzen wollte.

Mein ursprünglicher Plan war auch den Rockoberstoff so zu verarbeiten. Nachdem ich alle drei Varianten (Burda Schnitt, Godet und Kellerfalten) an der Puppe drapiert hatte, habe ich mich aber umentschieden. Die Kellerfalten haben dem sonst schlichten Rücken des Kleides noch das gewisse Drama hinzugefügt. Der Front habe ich anstatt den zwei Abnähern zwei nur wenige cm abgenähte Falten verpasst. Der Rock ist mit französischen Nähten verabreitet und einem feinen Nähmaschinenrollsaum.

Auch wenn das Kleid sehr aufwändig war, ich war allein 6 Wochen mit Konzept, Nesselteilen und Stoffsuche beschäftigt, liebe ich es sehr. Natürlich ist es kein Kleidungsstück, das man oft tragen kann, aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, fühle ich mich unglaublich wohl darin.
Allerdings habe ich durch dieses Projekt auch meine zeitlichen Grenzen kennengelernt. Zusätzlich zu meinem Beruf war dieses Projekt sehr zeitaufwändig, wodurch ich insofern auch etwas für mich gelernt habe: Manche Nähprojekte sind mir zwar handwerklich möglich, aber zeitlich eben nicht. Damit gehe ich heute etwas entspannter an das Thema Nähen heran und kann es auch mit meinem Ego vereinbaren, mir mal ein sehr aufwändiges Kleidungsstück nicht selbst zu nähen, sondern zu kaufen. Aber eben nicht, weil ich es nicht könnte, sondern weil ich meine freie Zeit damit schütze und nicht Gefahr laufe, dass aus diesem schönen Hobby mit einem Projekt auf einmal unangenehme Pflicht wird.
Damit entlasse ich euch nun zu den anderen Damen des Me Made Mittwochs. Ich freue mich schon auf die sommerlichen Werke!

sienaehtschonwieder.de goldenes Abendkleid

Auch verlinkt bei Creativsalat und Du für dich am Donnerstag.

24 thoughts on “Abendkleid mit goldenem Brustpanzer

  1. Du hast sehr viel Mühe und Liebe in dieses Projekt gesteckt und bist dafür mit einem tollen Kleid für besondere Anlässe belohnt worden, das perfekt sitzt.
    LG von Susanne

  2. Liebe Tina,
    was für ein tolles Kleid. Ich hoffe es ergeben sich noch viele Gelegenheiten es auszuführen.
    Danke auch für die genaue Schilderung. In meinem Kopf steht auch der Plan für ein Abendkleid, allerdings schrecken mich derzeit noch der Aufwand und vor allem die Anpassungen.
    Liebe Grüße Elke

    1. Ja, der Aufwand war echt viel und auch wenn ich nicht weiß, ob ich es nochmal tun würde, fühle ich mich so gut, wenn ich es trage, dass es das Ganze sicherlich wert war. Also los, auf ans erste Nesselteil 🙂

  3. Liebe Tina,
    was für ein Kleid!!!!! So was kannst Du nicht kaufen!
    Und ja – ein extrem zeitintensives Projekt – was sich aber gelohnt hat!
    Dass Du keine derart zeitintensiven Projekte mehr nähen magst, kann ich sehr gut nachvollziehen.
    Für mich haben sie dennoch ihre Berechtigung: Wenn der Kleiderschrank dann vor Lieblingsteilen zu platzen droht, ich aber das Bedürfnis nach kreativer Betätigung habe ist, widme ich mich ganz genüsslich auch ausgesprochen aufwendigen Nähprojekten, oft ist dann der Weg das Ziel.
    Du bist ja noch recht jung und nähst nun noch nicht soooo lange, da mag sich bei Dir noch einiges ändern 😉

    Herzlichst
    Marion

    1. Ja da geb ich dir recht. Aber auch wenn man keinen Termindruck hat, braucht man halt doch einiges an Freizeit dafür. Zum einen mag ich mich nicht wegen schnell mal einer Stunde eindenken, sondern eher drei, vier Stunden. Zum anderen entwickle ich halt dann doch den Ehrgeiz fertig zu werden. Ich bin also mein eigenes Problem 😉 Grüße

  4. Ein tolles Kleid. Der goldene Brustpanzer gibt dem ansich schlichten Kleid das Gewisse Etwas, und plötzlich ist es glamourös. Die aufwändige Gedankenarbeit und Herstellung hat sich gelohnt.
    LG heike

  5. Sehr originell finde ich Dein Kleid, danke für die Erläuterungen.
    Ich wünsche Dir ganz viele Gelegenheiten zum Ausführen.

    Viele Grüße,
    Sandra

  6. Das richtige für einen großen Auftritt! Vor allem die Lösung für den Rock gefällt mir. Ich mag inzwischen auch solche etwas aufwendigeten Projekte, da mein Schrsnk schon ziemlich voll ist und da darf so manches neue Teil ruhig etwas länger dauern. Jedenfalls haben sich die ganze Mühe und der Aufwand gelohnt. Du schaust toll aus! LG Ina

    1. Ich hoffe ja, ich kann mir da in Zukunft was bei dir abschauen und auch entspannt an so einem langen Projekt arbeiten. Obwohl ich eh eine langsame Näherin bin, also Schnelligkeit bin ich nicht gewohnt. Vielleicht hilft mir das un das Wissen, dass es euch auch so geht etwas. Grüße

  7. Wow, 25 cm ausgehangen! Das hätte ich mir nicht vorstellen können. Ein schönes Anlasskleid, das durch seine schlichte Eleganz besticht. Danke dafür, dass Du uns auch an seiner Entstehung teilhaben lässt.
    Diese seltsame Erfahrung habe ich auch gemacht, dass es schwieriger wird, die passenden Materialien zu finden, je konkreter die Vorstellung. Wohl der Mangel im Überfluss.
    Lieben Gruß Manuela

    1. Ich war auch überrascht, hatte aber auch noch nie mit 45° Zuschnitten gearbeitet (außer bei Schrägband). Bei Gelegenheit will ich nochmal etwas mit dieser Schnitttechnik nähen, weißt du einen guten Schnitt dafür, den man probiert haben sollte?
      Vielleicht sind wir auch einfach zu wenig kompromissbereit bei unseren Vorstellung von Stoffen. Aber ich kann nicht anders…
      Grüße

      1. Gerade erst gelesen, ich bin mittlerweile nicht mehr so viel auf Blogs unterwegs; ob das nun gut oder schlecht ist, weiß ich nicht… Schau mal bei How To Do Fashion oder im „Workbook“ von Merchant & Mills. Ganz verschieden im Stil, aber beide haben mehrere Schnitte im Bias Cut gemacht. Liebe Grüße Manuela

  8. Wow, Respekt vor diesem aufwändigen Projekt! Dafür kannst du nun im Wahrsten Sinne des Wortes mit dem Ergebnis glänzen!. Toll sieht das aus – das Styling mit dem Hut: très chic, Madame!

    1. So oft hat man ja nicht die Gelegenheit sich aufzubrezeln, also wenn schon, dann richtig 😉 Ich freue mich über dein Kompliment.
      Grüße, Tina

  9. Dein Outfit ist wirklich sensationell. Es ist alles so toll aufeinander abgestimmt! Die ganze Arbeit, die du dir damit gemacht hast, hat sich mehr wie gelohnt. Herzlichen Glückwunsch!
    LG Birgit

  10. Das Kleid ist ja der Wahnsinn! Meine Güte, ich knie nieder – Jede Minute Arbeit ist es wert finde ich! An deiner Stelle würde ich jeden Monat in die Oper gehen oder so… LG Sarah

  11. Liebe Tina, das Kleid ist toll, die beschrieben Schwächen habe ich erst gesehen nachdem du daruf aufmerksam gemacht hast. Die unterschiedlichen Stoffe und die Steifheit des Brutpanzers sind eine Herusforerung die du Klasse gemeisterst hast. LG Jeanette

    1. Danke Jeanette, freut mich, dass du nicht glaubst, dass man die „Fehler“ sieht. Auch beim Tragen fallen sie mir gar nicht so auf, aber Fotos sind da halt gnadenlos 🙂
      Grüße, Tina

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